Nintendo Quest: Ein leidenschaftlicher Sammler auf der Jagd nach NES-Modulen
Der Gaming-Dokumentarfilm „Nintendo Quest“ zeigt uns, was wirkliche Sammelleidenschaft ist.
Der Filmemacher Robert McCallum stellt seinem guten Freund und Zockerkumpel aus Kindheitstagen Jay Bartlett eine spannende Aufgabe: Innerhalb eines Monats eine komplette und lückenlose NES-Sammlung anlegen.
Jay nimmt die Herausforderung an und Robert begleitet ihn beim Versuch, diese zu schaffen, mit der Kamera.
Die Challenge
Die Herausforderung ist schnell umrissen, aber schwierig zu meistern:
Jay hat exakt 30 Tage Zeit, um sich ein Exemplar jedes in Nordamerika jemals erhältlich gewesenen NES-Moduls zu kaufen. Das sind genau 678 Games.
Knifflig wird das vor allem durch eine wichtige Bedingung: Kein Internet! Kartonweise Spielesammlungen von Ebay holen ist also nicht drin.
Stattdessen ist Jay gezwungen, die Spiele in der echten Welt zu kaufen. Das bedeutet: Second-Hand-Läden, Game-Shops, private Sammler.
Dabei steht ihm lediglich ein Tablet mit einem Programm zur Verfügung, das alle Spiele mit ungefährem Marktwert listet und verwaltet.
Auf geht es zur Nintendo Quest, zu einem Trip des alltäglichen Wahnsinns zwischen Bingebuying aus der Dollarbox und dem Auftreiben super seltener Games, die selbst mit viel Kohle nur sehr schwer überhaupt irgendwo zu bekommen sind.
Immerhin: Die Adressen der Sammler und Shops wurden offensichtlich vorab gründlich recherchiert und die Reise gut geplant. Somit steht er wenigstens nicht in fremden Großstädten ohne zu wissen, wo sich die Gameshops befinden.
Dennoch zeigt der Film, dass die Aufgabe gewaltig und alles andere als einfach zu schaffen ist!
Der Trailer
Einen erstem Eindruck von “Nintendo Quest” kannst du dir hier mit dem offiziellen deutschen Trailer verschaffen. Schau ihn dir an!
Was wir von Jay Bartletts Nintendo Quest lernen können:
- Sammeln braucht Geschichten: Jay erkennt während der Riese, dass jedes erbeutete Modul für ihn immer mit der jeweiligen Station der Reise, den Emotionen in diesem Moment und den beteiligten Menschen verbunden sein wird. Das macht das Sammeln zu einem Abbild der Erlebnisse und bringt somit einen großen Teil des Reizes mit sich.
- Analog ist besser: Download mag praktisch sein. Aber die Haptik, das Design der Verpackungen, die begrenzte Verfügbarkeit der Artefakte einer vergangenen Gaming-Zeit – das macht die physischen Games als Sammelobjekt sexy. Da kann nicht mal die eigentlich ziemlich tolle NES-Mini mithalten.
- Sammeln ist eine Reise: Geld auf den Tisch latzen und jemand anderem die komplette Sammlung abkaufen? Kannst du machen. Aber du wirst dich dadurch um den Spaß bringen. Es ist wie Cheats beim Gaming. Du betrügst dich selbst darum, die Herausforderung zu meistern. Das Suchen, das Buddeln in Wühlkisten dubioser Hinterhof-Second-Hand-Läden, das Zittern in der Hand, wenn du ein seltenes Stück gefunden hast – das ist das eigentliche Hobby. Das Besitzen ist nur die Trophäe, die von deiner Reise zeugt.
- Man kann nerdig und gleichzeitig sympathisch und gutaussehend sein: Nicht, dass ich selbst das jemals angezweifelt hätte. Ich fühle mich sehr wohl als Geek. Aber die Allgemeinheit hat ja manchmal etwas seltsame Vorstellungen von Nerds als pickeligen Kellerkindern. Dieses Klischee erfüllt Jay so gar nicht. Ein cooler Typ, der Musik macht und Foo-Fighters-Frontmann Dave Grohl zu seiner Stilikone auserkoren hat. Korrekter Kerl. Gleichzeitig lebt er seine geekigen Leidenschaften sehr konsequent und authentisch. Ein guter Botschafter für unsere Sache!
- Es gibt NES-Games, die für viele tausend bis zehntausende Dollar gehandelt werden: Wie ich aus dem Film gelernt habe, ist der heilige Gral einer jeden NES Sammlung das Spiel „Stadium Events“. Das Game wird in Top-Zustand für mehrere zehntausend Dollar gehandelt. Herausgebracht wurde das Spiel 1987 von Bandai. Es war ein Sportspiel, das für einen Fußmatten-Controller konzipiert war, die „Family Fun Fitness“-Matte, die später „Power Pad“ hieß. Nintendo hat sich damals rasch die Rechte gesichert und „Stadium Events“ unter dem Namen „World Class Track Meet“ weitergeführt. Entsprechend wenige Module gibt es von diesem Game. Ob Jay sich eines davon sichern und seine Sammlung komplettieren kann? Das erfährst du im Film, gespoilert wird hier nicht 😉
- Das Ziel, eine Sammlung zu vollenden, kann tiefe Befriedigung schaffen: Wer nicht sammelt, könnte das Anhäufen von coolen Dingen für trivial und zufällig halten. Wenn du aber Jay bei seiner Reise zusiehst, kannst du nachempfinden, welch große Bedeutung das Erreichen des Ziels für ihn hat. Für ihn ist das Komplettieren der NES-Sammlung ein echtes Achievement, auf das er am Ende seines Lebens zufrieden zurückschauen wird und das ihm Kraft und Energie für andere Projekte in seinem Alltag gibt.
- Das Leben ist das spannendste Spiel von allen – wenn du es nur zulässt: Virtuelle Welten sind spannend – das wird sicher niemand hier bezweifeln. Aber auch das echte Leben da draußen hat eine ganze Menge zu bieten. Es ist kein Entweder-Oder. Forder dich heraus. Lebe deine Leidenschaft. Virtuell wie real. Wenn du dir die richtigen Aufgaben stellst, dann ist das ganze Leben wie ein Spiel – fordernd und spaßig. Das hat mir dieser Film mal wieder vor Augen geführt.
Mein Fazit
Die Grundidee der Nintendo Quest ist sehr spannend – endlich mal eine Challenge, die ich super finde und bei der ich wissen will, ob es zu schaffen ist.
Dazu kommt, dass Jay Bartlett ein überaus sympathischer Typ ist, mit dem ich jederzeit einen trinken gehen würde. Ich habe ihm sehr gewünscht, dass er die Aufgabe meistert.
Der Film selbst versucht die Reise und die Aufenthalte in den Gameshops zu dokumentieren und in Zwischensequenzen Faktenwissen über Nintendo, das NES und Retrozocker im Allgemeinen zu vermitteln. Es kommen auch verschiedene Gamer kurz zu Wort.
Mich haben die Infoteile nicht so begeistert, obwohl sie gut gemacht sind. Ich hätte mir stattdessen noch mehr Vlog-artiges Material rund um Jays Reise und genauere Einblicke in die erworbenen Spiele gewünscht.
Das Grinden nach Fortschritten durch den jeweils nächsten Kauf hat mich sehr an das Zocken selbst erinnert und hatte für mich was angenehm Meditatives. Die Reise wirkte selbst wie ein Game. Finde ich cool!
Allerdings muss ich auch sagen, dass der Film sich sehr auf das Thema Sammelleidenschaft an sich konzentriert. Welche Spiele genau Jay erbeutet, was diese Games können und was er dafür jeweils ausgibt – das bleibt größtenteils im Dunkeln. Wie sehr ihn das Sammeln aber begeistert und fordert, das kommt sehr gut rüber.
Als Retro-Fan mit Sammler-Gen hat mir der Film insgesamt viel Spaß gemacht, weil ich mich voll mit Jays Challenge identifizieren konnte. Das ist wirklich mal ein Film von Geeks für Geeks. Wenn du auf Themen wie Sammeln und Retrogaming wirklich nerdest, wirst du dich hier zuhause und verstanden fühlen.
Derzeit (Dezember 2016) gibt es den Film im Rahmen der normalen Flatrate kostenlos bei Netflix. Also schau doch einfach mal rein, wenn es dich interessiert.
Wenn du wie Jay eher auf physische Produkte stehst, kannst du alternativ auch mal ein Auge auf die im Stil eines NES-Moduls hübsch aufgemachte Limited Edition Doppel-DVD werfen:
In meinen Augen ist der Film zwar kein zwingendes Must-See und es hätte vieles noch etwas runder gemacht werden können – aber mir bietet es viel Spaß, mit den beiden Jungs in die Welt ihrer Sammelleidenschaft einzutauchen. Für mich hat sich das Anschauen deshalb definitiv gelohnt, und deshalb empfehle ich dir „Nintendo Quest“ hier gerne weiter.
Hast du den Film schon gesehen? Wie stehst du zum Thema Sammeln? Und wie teuer war dein teuerstes Videospiel? Schreib es mir in die Kommentare!